was war das erste Tanzstück, das Ihr gesehen habt?
Meins hieß Kriminaltango und wurde von einer semiprofessionellen Tanztheatergruppe, deren Name ich nicht mehr weiß, in der Begine, einer Frauenkneipe in Schöneberg (die es übrigens heute noch gibt) aufgeführt. Es waren die frühen neunziger Jahre, ich war vielleicht 11 Jahre alt und mit meiner Mutter dort weil eine Freundin von ihr mittanzte – die Tänzerinnen bewegten sich ausdrucksstark auf sehr kleinem Raum zur Musik von Madonna und Earth Wind and Fire, ich hatte sowas vorher noch nie gesehen und war von diesem Zeitpunkt an infiziert.
Auch Korinna und Jörg Nawrotzky haben im Berlin der frühen Neunziger ihr erstes Tanzstück gesehen, ein Erlebnis das als Initialzündung für ihre große Leidenschaft bezeichnet werden kann, die bis heute anhält: In den letzten dreißig Jahren haben sie geschätzt unglaubliche 6000 Tanzstücke gesehen. Ich habe mich mit ihnen getroff•en und über Erinnerungen, Highlights und ihre große Liebe zum Tanz gesprochen. Zusätzlich haben wir verschiedene weitere Zuschauer*innenstimmen eingefangen und nach ihren persönlichen Favoriten der letzten Spielzeit gefragt.
Für Tanz braucht es Bühnen. Dass die Tanz-Hauptstadt Berlin mit ihren 2500 professionellen Tanzschaff•enden, 1800 Vorstellungen im Jahr und 40 dezentralen Präsentationsorten* immer noch kein Tanzhaus hat, ist schwer nachzuvollziehen. Das Tanzbüro Berlin hat mit der Tanzwissenschaftlerin Prof. Dr. Susanne Foellmer über den aktuellen Entwicklungsstand für ein Haus für Tanz und Choreografie (HTC) und dessen Bedeutung für die Tanzszene und ihr Publikum gesprochen.
Die Rolle der Zuschauenden hat sich in der Vergangenheit immer wieder gewandelt. Galten die Zuschauenden im klassischen Theater noch als passive Rezipient*innen, so rückte das Ideal der „aktiven“ Zuschauenden ab Beginn des 20. Jahrhunderts immer stärker in den Vordergrund. Heute sind es Fragen über Zugänglichkeit und Diversität, die die Debatte bestimmen und Zuschauende werden zunehmend als Expert*innen begri•ffen. Doch wie können wir aus künstlerischer und kuratorischer Sicht unser Publikum einladen? Was bedeutet eigentlich eine gelungene Gastgeber*innenschaft und welche Rollen spielen dabei Access und Barrierefreiheit? Darüber schreibt die Choreografin und Tänzerin Julia B. Laperrière in ihrem Essay A Day on Hospitality and Multi-Sensorial Performance Making. Or in Other Words: On Resisting Assumptions and Language(s) as Access.
Am Ende des Hefts befinden sich außerdem die Bodyscopes für September und Oktober mit körperbasierten Interpretationen der Sterne von Nicola van Straaten für alle Sternzeichen.


Die Tage werden wieder kürzer, die Sommerpause ist vorbei und eine neue Spielzeit bricht an. Es gibt viel zu sehen – zum Beispiel beim Blank Check Festival 3 im Dock 11 / EDEN***** vom 29. August bis 7. September, beim Festival explore dance #5 – Tanz für junges Publikum in der fabrik Potsdam vom 20. bis 26. September oder bei einer der vielen weiteren Auff•ührungen in Berlin und Brandenburg. Eine Übersicht findet Ihr im Tanzkalender plus vier Kurzvorschauen auf Premieren und Festivals im September und Oktober.


Viel Spaß beim Zuschauen und beim Lesen,
Johanna Withelm

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